Therapieplanung in Schwangerschaft und Stillzeit
Chronische Erkrankungen wie Psoriasis bedürfen einer langfristigen Behandlung. Mitunter ist es daher unumgänglich, auch während der Schwangerschaft Medikamente einzunehmen. Damit Mutter und Kind sicher und gesund durch die Schwangerschaft kommen, wird der Arzt den Therapieplan überprüfen, ggf. anpassen und die Patientin engmaschig betreuen.
Wie lassen sich chronische Erkrankungen und Familienplanung am besten miteinander vereinbaren? Das fragen sich viele betroffene Patientinnen mit Kinderwunsch. Auch Frauen, die an einer ausgeprägten Psoriasis leiden, sind oft verunsichert. Zum einen ist nicht vorhersehbar, ob sich in der Schwangerschaft das Krankheitsbild verschlechtert, zum anderen besteht die nicht unberechtigte Sorge, dass die erforderlichen Arzneimittel womöglich dem Kind im Mutterleib schaden. Die gute Nachricht: Grundsätzlich steht die Psoriasis dem Wunsch nach Familienzuwachs nicht im Wege. Es ist aber sinnvoll und empfehlenswert, mit Plan daranzugehen und den Arzt darüber zu informieren. Denn die verordneten Medikamente werden alle dahingehend überprüft, wie verträglich sie in der Schwangerschaft sind.
Psoriasis in der Schwangerschaft
Der Einfluss einer Schwangerschaft auf die Aktivität der Psoriasis ist individuell nicht vorhersehbar. Anhand der Studienlage gibt es einige Hinweise darauf, dass sich die Psoriasis in der Regel bessert. So berichten etwa 55 % der Patientinnen von einer Verbesserung während der Schwangerschaft, 25 % berichten von keiner Veränderung und bei 25 % verschlechtert sich die Psoriasis. Eine Verschlechterung der Psoriasis ist demgegenüber in der Zeit nach der Geburt wahrscheinlicher: Bei etwa 65 % der Patientinnen zeigt sich eine Verschlechterung, bei 25 % keine Veränderung, bei 10 % eine Verbesserung.
Quelle: S3-Leitlinie „Therapie der Psoriasis vulgaris“, AWMF-Register-Nr.: 013 - 001, 2021
Substanzen, die Fehlbildungen beim Ungeborenen im Mutterleib hervorrufen können, bezeichnet man allgemein als teratogen. Es versteht sich von selbst, dass teratogene Arzneimittel während der Schwangerschaft kontraindiziert sind, also nicht eingenommen werden dürfen. Allerdings gibt es für viele Medikamente dazu nur Überprüfungen im Tierexperiment, da mit Schwangeren keine klinischen Studien durchgeführt werden. Mitunter liegen auch Ergebnisse zur Verträglichkeit aus sogenannten Beobachtungsstudien vor, wenn ein Medikament „zufällig“ von einer Schwangeren eingenommen wurde.
Therapieanpassung
Patientinnen mit Psoriasis, die schwanger werden möchten oder wissen, dass sie schwanger sind, sollten unbedingt ihren Hautarzt darauf hinweisen. Abhängig von der Schwere der Psoriasis und ggf. den Begleiterkrankungen (z. B. Stoffwechselstörungen, Diabetes mellitus, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Gelenkerkrankungen) erhalten sie bereits eine Therapie, die ggf. umgestellt werden muss. Bei leichten Formen der Psoriasis vulgaris reicht in der Regel eine lokale Therapie (topische Therapie) mit wirkstoffhaltigen Cremes bzw. Salben aus, um die Hautsymptome zum Abklingen zu bringen. Bei mittelschweren und schweren Verlaufsformen wird die Lokaltherapie oft ergänzend angewendet. Wer nun glaubt, dass so ein bisschen Creme keinen Effekt auf ein im Mutterleib heranwachsendes Kind haben kann, irrt womöglich. Das hängt u. a. davon ab, wie großflächig das topische Präparat aufgetragen werden muss und welche Wirkstoffe zum Einsatz kommen.
In den Behandlungsempfehlungen werden bei der topischen Therapie die Wirkstoffe Calcineurininhibitoren, Dithranol, Corticosteroide, Steinkohlenteer, Tazaroten sowie Vitamin D3/Analoga aufgeführt. Geht man diese Wirkstoffe der Reihe nach durch, so gibt es durchaus Einschränkungen für Schwangere und Stillende (s. Kasten). Bei Corticosteroiden gelten z. B. Präparate mit schwacher bis mittlerer Wirkstärke auch während der Schwangerschaft als sicher. Hingegen können bei der Anwendung von topischen Corticosteroiden höherer Wirkstoffklasse bei hoher Dosierung Nebenwirkungen für das Ungeborene, z. B. Wachstumsverzögerung oder geringes Geburtsgewicht, nicht ausgeschlossen werden. Insgesamt ist die Studienlage allerdings dürftig. Das gilt auch bezüglich anderer Lokaltherapien. Daher wird z. B. empfohlen, auch Calcineurininhibitoren und Vitamin D3 in der Schwangerschaft nur nach strenger Nutzen-Risiko-Abwägung anzuwenden.
Topische Psoriasistherapie in Schwangerschaft und Stillzeit
Calcineurininhibitoren: Es gibt keine Hinweise auf eine teratogene Wirkung. Aufgrund der fehlenden Erfahrung wird jedoch empfohlen, Calcineurininhibitoren (Pimecrolimus, Tacrolimus) auch topisch nicht in Schwangerschaft und Stillzeit anzuwenden.
Dithranol: Die Zubereitungen sollen während der Schwangerschaft nicht großflächig, d. h. auf nicht mehr als 30 Prozent der Körperoberfläche, und nur nach sorgfältiger Nutzen-Risiko- Abwägung angewendet werden, da keine Erkenntnisse über die Sicherheit für das ungeborene Kind vorliegen. Die Zubereitungen dürfen an der Brust von stillenden Müttern nicht angewendet werden.
Corticosteroide: Corticosteroide sind nicht teratogen. Bei hoher Wirkstoffstärke und großflächiger sowie langandauernder Anwendung können topische Corticosteroide das Wachstum des Ungeborenen reduzieren. Am Ende der Schwangerschaft besteht zudem das Risiko, dass das Kind eine Unterfunktion der Nebennierenrinde entwickelt. Da topische Corticosteroide in die Muttermilch übergehen, sollte ggf. das Stillen unterbrochen werden. Außerdem sollten während der Stillzeit die Brustwarzen nicht behandelt werden.
Steinkohlenteer: Steinkohlenteer ist in Schwangerschaft und Stillzeit kontraindiziert.
Tazaroten: Da die Unbedenklichkeit während der Schwangerschaft nicht gesichert ist, gilt Tazaroten in Schwangerschaft und Stillzeit als kontraindiziert. Im Tierversuch wurden nach oraler Gabe von Tazaroten teratogene Wirkungen beobachtet.
Vitamin D3 und Analoga: Vitamin-D3-Derivate sind im Tierversuch nicht teratogen. Da beim Menschen keine Erfahrungen vorliegen, sollte sicherheitshalber keine Anwendung stattfinden. Ob die Substanzen in die Muttermilch übergehen, ist nicht bekannt. Auch hier sollte auf eine Anwendung verzichtet werden.
Quelle: S3-Leitlinie „Therapie der Psoriasis vulgaris“, AWMF-Register-Nr.: 013 - 001, 2021; Appendix A: „Topische Therapie, Phototherapie, sonstige Therapien, Schnittstellendefinition“, www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/013-001.html
Systemische Therapie in der Schwangerschaft
Bei einer mittelschweren bis schweren Psoriasis reichen topische Therapien in der Regel nicht aus und es wird eine innere Therapie (systemische Therapie) mit Tabletten oder Spritzen empfohlen. Da sich bei einer solchen Therapie die Wirkstoffe über das Blutbzw. Lymphgefäßsystem im ganzen Körper verteilen, ist das Risiko für allgemeine Nebenwirkungen und damit auch für unerwünschte Wirkungen auf die Entwicklung des Ungeborenen deutlich höher. Manche Medikamente sind daher für Schwangere und Stillende ausdrücklich nicht geeignet und daher kontraindiziert, bei anderen gibt es keine verlässlichen Aussagen zur Sicherheit. Grundsätzlich ist es erforderlich, dass jede systemische Therapie bei Frauen mit Kinderwunsch bzw. zu Beginn einer Schwangerschaft kritisch überprüft und ggf. umgestellt wird. Das betrifft auch die systemische Therapie der Psoriasis.
Laut den allgemeinen Behandlungsleitlinien sind einige der aufgeführten Arzneimittel bei Schwangeren und Stillenden kontraindiziert oder sie werden nur mit Einschränkungen empfohlen (s. Kasten). Kontraindiziert sind Methotrexat, Acitretin, Apremilast sowie Fumarate. Frauen, die eine Schwangerschaft planen, sollten diese Medikamente ebenfalls nicht einnehmen, Gleiches gilt während der Stillzeit. Eine Schwangerschaft ist allerdings nicht immer geplant oder gewollt. Daher wird empfohlen, dass Frauen im gebärfähigen Alter vor Beginn der Therapie mit einem dieser Medikamente einen Schwangerschaftstest machen. Zudem sollten sie während der Therapiedauer so zuverlässig wie möglich verhüten. Ciclosporin, lange Zeit Therapie der Wahl während der Schwangerschaft, wird mittlerweile nur noch mit Einschränkungen empfohlen, da es sicherere Alternativen gibt. Wenn Ciclosporin verordnet wird, dann nur nach genauer Nutzen-Risiko-Abwägung und unter engmaschiger Therapiekontrolle. Zu den sichereren Alternativen gehören Medikamente aus der Gruppe der Biologika. Allerdings gibt es auch hier Unterschiede. Generell geht man davon aus, dass diese Wirkstoffe im ersten Drittel der Schwangerschaft unbedenklich sind und keine Auswirkungen auf das Ungeborene haben. In den folgenden Wochen kann sich dies jedoch ändern. Mit Ausnahme des Biologikums CertolizumabPegol werden die Wirkstoffe über die Plazenta auf das Ungeborene übertragen. Daher wird empfohlen, die Biologikatherapie im zweiten sowie im letzten Drittel möglichst auszusetzen.
Systemische Psoriasistherapie in Schwangerschaft und Stillzeit
Acitretin: Bei Frauen, die eine Schwangerschaft planen, bei Schwangeren sowie bei Stillenden ist Acitretin kontraindiziert.
Apremilast: Bei Frauen, die eine Schwangerschaft planen, bei Schwangeren sowie bei Stillenden ist Apremilast kontraindiziert.
Methotrexat: Bei Frauen, die eine Schwangerschaft planen, bei Schwangeren sowie bei Stillenden ist Methotrexat kontraindiziert.
Fumarate: Bei Frauen, die eine Schwangerschaft planen, bei Schwangeren sowie bei Stillenden sind Fumarate kontraindiziert.
Ciclosporin: Es gibt keinen Hinweis auf Teratogenität. Eine genaue Nutzen-Risiko-Abschätzung ist während der Schwangerschaft erforderlich. Während der Stillzeit ist Ciclosporin kontraindiziert.
Biologika: Adalimumab, Brodalumab, Etanercept, Guselkumab, Infliximab, Ixekizumab, Risankizumab, Secukinumab, Tildrakizumab, Ustekinumab sollten nur im 1. Schwangerschaftsdrittel gegeben werden. Anschließend erfolgt eine Unterbrechung der Therapie. Das Biologikum Certolizumab kann auch im 2. und letzten Schwangerschaftsdrittel empfohlen werden, sofern eine systemische Therapie in diesem Zeitraum erforderlich ist.
Quelle: S3-Leitlinie „Therapie der Psoriasis vulgaris“, AWMF-Register-Nr.: 013 - 001, 2021; Appendix A: „Topische Therapie, Phototherapie, sonstige Therapien, Schnittstellendefinition“, www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/013-001.html
Nutzen-Risiko-Abwägung
Abhängig von der Schwere der Psoriasis, ist eine langfristige medikamentöse Behandlung unumgänglich, so dass auch während einer Schwangerschaft nicht komplett darauf verzichtet werden kann. Wichtig ist auf jeden Fall eine gute Beratung und Betreuung der Schwangeren sowohl durch den Hautarzt als auch durch einen Frauenarzt und Geburtsmediziner. Frauen mit mittelschwerer oder schwerer Psoriasis, die regelmäßig Medikamente einnehmen und schwanger werden möchten, sollten wissen, worauf sie speziell achten müssen – für eine sichere Schwangerschaft und die Geburt eines gesunden Kindes.
Allgemeine Informationen zur Arzneimittelsicherheit während Schwangerschaft und Stillzeit
Im Rahmen des Aktionsplans zur Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit in Deutschland wurden spezielle Informationen für Frauen im gebärfähigen Alter sowie für Schwangere und Stillende herausgegeben. Dies sind die wichtigsten Punkte, die Frauen im gebärfähigen Alter wissen und beachten sollten:
- Für fast alle Erkrankungen in Schwangerschaft und Stillzeit gibt es verträgliche Medikamente.
- Auch wenn Sie nicht schwanger sind, aber eine Schwangerschaft nicht mit Sicherheit ausschließen können, sollten Sie bevorzugt diese verträglichen Medikamente nehmen.
- Nehmen Sie Medikamente ein und stellen eine Schwangerschaft fest, dann setzen Sie die Medikamente nicht eigenmächtig ab, sondern halten Sie Rücksprache mit Ihrem Arzt.
- Entscheiden Sie gemeinsam mit dem Arzt, ob Sie in der Schwangerschaft Medikamente brauchen, und wenn ja, welche dafür in Frage kommen.
- Holen Sie sich im Zweifel eine zweite Meinung ein, z. B. über die unabhängigen Portale embryotox.de und reprotox.de.
- Wenn Sie rezeptfreie Medikamente oder Nahrungsergänzungsmittel einnehmen, sollten Sie Ihren Arzt fragen, ob diese Mittel auch in Schwangerschaft und Stillzeit geeignet sind. Auch in der Apotheke kann man Ihnen dazu Auskunft geben.
Das Informationsblatt mit weiteren Hinweisen finden Sie im Internet unter: www.embryotox.de/fileadmin/user_upload/Formulare/AMTS_Informationsblatt_für_Patientinnen_ Version_Juni_2022.pdf
Das Internetportal www.embryotox.de bietet allgemeine Informationen und Hinweise zur Verträglichkeit von Arzneimitteln in Schwangerschaft und Stillzeit. Betreiber des Portals ist das Pharmakovigilanz- und Beratungszentrum für Embryonaltoxikologie der Charité – Universitätsmedizin Berlin. Derzeit können Sie für über 400 Arzneimittel nachlesen, ob diese in Schwangerschaft und Stillzeit angewendet werden dürfen und was beachtet werden sollte, wenn die Therapie bereits erfolgt ist. Zudem können Sie eine individuelle Anfrage an das Institut stellen und sich kostenlos beraten lassen.