Allergien vorbeugen

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Leitlinie zur Allergieprävention

Wird womöglich eines dieser Kinder eine Allergie entwickeln? Was kann man dafür tun, um das Risiko zu reduzieren? Bei der Gesundheitsprävention geht es immer darum, beste Voraussetzungen zu schaffen, damit eine Erkrankung gar nicht erst entsteht. Im Falle von Allergien ist diese Strategie besonders wichtig, da es nach wie vor nur sehr eingeschränkte Möglichkeiten gibt, Allergien ursächlich zu behandeln. Wie zahlreiche wissenschaftliche Studien zeigen, sollte mit der Allergievorbeugung so früh wie möglich begonnen werden.

Hund ja, Katze nein! Mit den Kleinen zieht ihr besser aufs Land! Kuhmilch solltet ihr eurem Kind auf keinen Fall geben! Werdende und junge Eltern bekommen jede Menge Ratschläge, wenn es um das Thema gesunde Entwicklung und Allergievorbeugung bei ihren Kindern geht. Da ist es nicht immer leicht zu erkennen, was wirklich sinnvoll, weil wissenschaftlich nachgewiesen, und was lediglich eine Behauptung ist, die nicht überprüft wurde.

Wo gibt es also belegbare Fakten, wenn es um Allergievorbeugung geht? Eine gute Orientierung bietet die Leitlinie zur Allergieprävention. Herausgeber der Leitlinie sind Vertreter verschiedener medizinischer Fachgesellschaften. An der Leitlinie zur Allergieprävention sind u. a. die Deutsche Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie e.V. (DGAKI), die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin e.V. (DGKJ), die Gesellschaft für Pädiatrische Allergologie und Umweltmedizin e.V. (GPA) und die Deutsche Dermatologische Gesellschaft e.V. (DDG) beteiligt. Die Experten haben die Ergebnisse aktueller wissenschaftlicher Studien zur Allergievorbeugung ausgewertet und sprechen anhand der Datenlage konkrete Empfehlungen aus. Dabei gibt es verschiedene Empfehlungsgrade: von Empfehlungsgrad A, einer ausdrücklichen Empfehlung, bis zu Empfehlungsgrad D, der für „kann erwogen werden“ steht.

Da Wissenschaft und Forschung fortschreiten und mitunter aktuelle Studienergebnisse zu neuen Erkenntnissen und Einschätzungen führen, müssen Leitlinien regelmäßig überprüft und ggf. überarbeitet werden. So bedurfte die alte Fassung der Leitlinie zur Allergieprävention von 2014 einer Aktualisierung. Manche Empfehlungen von 2014 wurden bestätigt, andere abgeschwächt, neue kamen hinzu.

Im Folgenden geben wir Ihnen einen kurzen Überblick über die wichtigsten Empfehlungen zur Prävention von Asthma bronchiale, allergischem Schnupfen, Nahrungsmittelallergie und atopischem Ekzem. Dabei erfahren Sie auch, was die Experten zu Hund und Katze sagen und welche Bedeutung die Ernährung hinsichtlich der Allergievorbeugung hat.

Empfehlungen zu Ernährung

Die Ernährung ist ein wichtiger Grundpfeiler für unsere Gesundheit. Ohne jeden Zweifel hat die frühkindliche Ernährung einen maßgeblichen Einfluss auf die gesunde Entwicklung des Kindes. Wissenschaftliche Untersuchungen bestätigen, dass sich bestimmten Erkrankungen vorbeugen lässt, wenn sich die Mutter in der Schwangerschaft und Stillzeit ausgewogen ernährt und das Baby in den ersten Lebensmonaten gemäß den Empfehlungen von Medizinern und Ernährungswissenschaftlern versorgt wird. Dies gilt ausdrücklich für Neurodermitis, Heuschnupfen und Asthma sowie für Erkrankungen, die in Zusammenhang mit Übergewicht stehen (z. B. Diabetes).

In der Leitlinie heißt es dazu:
Schwangerschaft und Stillzeit

Während Schwangerschaft und Stillzeit wird eine ausgewogene, abwechslungsreiche und nährstoffbedarfsdeckende Ernährung empfohlen. Diese beinhaltet auch den Verzehr von Gemüse, Milch und Milchprodukten (einschließlich fermentierter Milchprodukte wie Joghurt), Obst, Nüssen, Eiern und Fisch.

Empfehlung, Empfehlungsgrad A: Diätetische Restriktionen (Meidung potenter Nahrungsmittelallergene wie Ei, Erdnuss, Fisch, Krustentiere) während der Schwangerschaft oder Stillzeit sollen aus Gründen der Allergieprävention nicht erfolgen.


Die ersten 6 Lebensmonate

Jegliches Stillen hat viele Vorteile für Mutter und Kind.

Empfehlung, Empfehlungsgrad A: Für den Zeitraum der ersten vier bis sechs Monate soll nach Möglichkeit ausschließlich gestillt werden. Auch mit Einführung von Beikost soll weitergestillt werden.

Empfehlung, Empfehlungsgrad B: Ein Zufüttern von kuhmilchbasierter Formulanahrung in den ersten Lebenstagen sollte bei Stillwunsch der Mutter vermieden werden.

Empfehlung, Empfehlungsgrad B: Wenn nicht oder nicht ausreichend gestillt werden kann, soll eine Säuglingsanfangsnahrung gegeben werden. Für Risikokinder sollte geprüft werden, ob bis zur Einführung von Beikost eine Säuglingsanfangsnahrung mit in Studien zur Allergieprävention nachgewiesener Wirksamkeit verfügbar ist. (Anmerkung: Es gibt eine genetische Veranlagung für allergische Erkrankungen. Haben Vater und/oder Mutter eine Allergie, so hat das Kind ein erhöhtes Allergierisiko und ist ein sogenanntes Risikokind.)

Empfehlung, Empfehlungsgrad A: Soja-basierte Säuglingsnahrungen sind zum Zweck der Allergieprävention nicht geeignet.

Empfehlung, Empfehlungsgrad B: Da es keine Belege für eine allergiepräventive Wirkung von anderen Tiermilchen, wie Ziegenmilch (auch nicht als Basis von Säuglingsnahrungen), Schafs- oder Stutenmilch gibt, sollten diese ebenfalls nicht zum Zweck der Allergieprävention gegeben werden.

Empfehlung, Empfehlungsgrad B: Da es keine Belege für eine allergiepräventive Wirkung von Getreidedrinks gibt, sollten diese ebenfalls nicht zum Zweck der Allergieprävention gegeben werden. (Stellungnahme: Getreidedrinks sind aus ernährungsphysiologischer Sicht kein Milchersatz.)


Beikost

Es gibt Hinweise darauf, dass die Vielfalt der Ernährung des Kindes im ersten Lebensjahr einen protektiven Effekt auf die Entwicklung atopischer Erkrankungen hat. Eine vielfältige Ernährung beinhaltet auch, dass Fisch und eine begrenzte Menge (bis zu 200 ml pro Tag) Milch bzw. Naturjoghurt sowie Hühnerei im Rahmen der Beikost eingeführt werden.

Empfehlung, Empfehlungsgrad B: Abhängig von der Bereitschaft des Säuglings sollte mit der Fütterung von Beikost frühestens ab Beginn des fünften und spätestens ab Beginn des siebten Lebensmonats begonnen werden.

Empfehlung, Empfehlungsgrad A: Für einen präventiven Effekt einer diätetischen Restriktion durch Meidung potenter Nahrungsmittelallergene im ersten Lebensjahr gibt es keine Belege. Sie soll deshalb nicht erfolgen.

Empfehlung, Empfehlungsgrad B: Zur Prävention der Hühnereiallergie sollte durcherhitztes (z. B. verbackenes oder hartgekochtes), aber nicht „rohes“ Hühnerei (auch kein Rührei) mit der Beikost eingeführt und regelmäßig gegeben werden.

Empfehlung, Empfehlungsgrad C: Zur Prävention der Erdnussallergie kann bei Säuglingen mit atopischer Dermatitis in Familien mit regelmäßigem Erdnusskonsum im Zuge der Beikost-Einführung erwogen werden, Erdnussprodukte in altersgerechter Form (z. B. Erdnussbutter) einzuführen und regelmäßig weiterzugeben.

Empfehlung, Empfehlungsgrad A: Insbesondere bei Säuglingen mit moderater bis schwerer atopischer Dermatitis soll zunächst eine Erdnussallergie ausgeschlossen werden.


Gewichtsentwicklung

Ein erhöhter Body-Mass-Index (BMI) der Mutter bereits vor bzw. zu Beginn einer Schwangerschaft ist positiv mit Wheezing (keuchende oder pfeifende Atmung) oder Asthma beim Kind assoziiert.

Übergewichtige und adipöse Kinder sind häufiger von Asthma betroffen als normalgewichtige.

Empfehlung, Empfehlungsgrad A: Übergewicht/ Adipositas bei Frauen vor und in der Schwangerschaft sowie bei Kindern und Jugendlichen sollen auch aus Gründen der Asthmaprävention vermieden werden.

Allgemeine Hinweise zur Gewichtskontrolle

Eine normale Gewichtsentwicklung bei Kindern zu fördern, dient nicht nur der Vorbeugung von Allergien, sondern ist allgemein für die Gesundheit des Kindes von großer Bedeutung.

Frauen mit Kinderwunsch sollten im Hinblick auf die Gesundheit ihres Kindes Normalgewicht anstreben. Denn das Risiko für Geburtskomplikationen, Schwangerschaftsdiabetes und späteres Übergewicht des Kindes ist erhöht, wenn Frauen zu Beginn der Schwangerschaft übergewichtig/ adipös sind.

Empfehlungen zum gesunden Lebensumfeld

Neben der Ernährung hat das unmittelbare Lebensumfeld des Kleinkindes Einfluss auf sein Allergierisiko. Hierbei spielen in erster Linie inhalative Allergene eine Rolle, also Substanzen, die über die Atmung aufgenommen werden. Die Empfehlung lautet, für ein möglichst allergenfreies Umfeld zu sorgen.

In der Leitlinie heißt es dazu:
Haustiere

Tierhaltung: Hundehaltung im ersten bzw. in den ersten drei Lebensjahren hat sich in verschiedenen epidemiologischen Studien als primär protektiv (schützend) hinsichtlich der Entwicklung von Allergien und Asthma gezeigt. Was die Haltung von Katzen oder anderen typischen Haustieren betrifft, so gibt es dazu immer noch widersprüchliche Daten.

Empfehlung, Empfehlungsgrad A: Personen ohne erkennbares erhöhtes Allergierisiko sollen die Haustierhaltung mit Katzen oder Hunden nicht einschränken.

Empfehlung, Empfehlungsgrad B: Familien mit erhöhtem Allergierisiko oder mit Kindern mit bereits bestehendem atopischen Ekzem sollten keine Katze neu anschaffen.

Empfehlung, Empfehlungsgrad B: Familien mit erhöhtem Allergierisiko sollte von einer Hundehaltung nicht abgeraten werden.

Statement: Hinsichtlich anderer Haustiere außer Katzen und Hunden können keine Empfehlungen zur Primärprävention von Allergie und Asthma abgegeben werden. Für die Abschaffung bereits vorhandener Haustiere aus Gründen der Allergieprävention gibt es keine wissenschaftlichen Belege.


Hausstaubmilben

Es kann bislang nicht eindeutig nachgewiesen werden, dass eine Reduzierung des Allergengehalts effektiv zur primären Allergieprävention beiträgt. Es wurden verschiedene Untersuchungen durchgeführt, um einen möglichen Zusammenhang zwischen einem frühen Kontakt mit Hausstaubmilben und der späteren Entwicklung von Asthma und/ oder allergischen Sensibilisierungen zu prüfen. Diese zeigen z. T. widersprüchliche Ergebnisse.

Empfehlung, Empfehlungsgrad B: Maßnahmen zur Reduktion der Exposition gegenüber Hausstaubmilbenallergenen, z. B. die Verwendung milbenallergendichter Matratzenüberzüge („encasings“), sollten nicht mit dem Ziel einer primären Prävention erfolgen.

Empfehlung, Empfehlungsgrad A: Bei Patienten mit bestehender Milbenallergie sollen Maßnahmen der Milbenallergenreduktion eingesetzt werden, da hier Wirksamkeitsbelege existieren.


Tabakrauch

Aktives und passives Rauchen erhöht das Allergierisiko. Kinder, die Tabakrauch ausgesetzt sind, haben insbesondere ein erhöhtes Risiko, im Vorschulalter bzw. frühen Schulalter Asthma zu entwickeln. Besonders gefährdet sind Kinder aus Risikofamilien.

Empfehlung, Empfehlungsgrad A: Aktive und passive Exposition gegenüber Tabakrauch soll vermieden werden. Dies gilt bereits während der Schwangerschaft.


Schimmelpilze und Innenraumluftschadstoffe

Statistiken belegen: Das Risiko, an allergischem Schnupfen und Asthma zu erkranken ist erhöht, wenn Kinder in Wohnungen mit Schimmelpilzbefall aufwachsen.

Empfehlung, Empfehlungsgrad B: Ein Innenraumklima, das Schimmelpilzwachstum begünstigt (hohe Luftfeuchtigkeit, mangelnde Ventilation), sollte vermieden werden.

Empfehlung, Empfehlungsgrad B: Die Exposition gegenüber Innenraumluftschadstoffen sollte gering gehalten werden.


Autoabgase

Die Exposition gegenüber Stickoxiden, Ozon und Feinstaub der Partikelgröße < 2.5 Mikrometer (PM 2,5) ist mit einem erhöhten Risiko insbesondere für Asthma und Wheezing (keuchende oder pfeifende Atmung), verbunden.

Empfehlung, Empfehlungsgrad B: Die Exposition gegenüber kraftfahrzeugbedingten Emissionen sollte gering gehalten werden.

Weitere Informationen zur Vorbeugung von Allergien

Die allermeisten der beschriebenen vorbeugenden Maßnahmen lassen sich mit wenig Aufwand umsetzen. Sie erhöhen die Chancen, dass Babys nicht so früh mit potenziellen Allergenen in Kontakt kommen. Der Zeitpunkt des ersten Allergenkontakts und die Stärke der Allergenbelastung spielen neben der erblichen Veranlagung eine nicht unwichtige Rolle bei der Entwicklung von Allergien.

Allergien_vorbeugen_2023Weitere Informationen zu allergischen Reaktionen, zum Allergierisiko von Kindern und zur Vorbeugung hat die Deutsche Haut- und Allergiehilfe auf ihrer Website www.dha-allergien-vorbeugen.de zusammengestellt. Da die Ernährung maßgeblichen Einfluss auf die Funktionsfähigkeit des Immunsystems hat, bildet sie einen Schwerpunkt auf der Seite. Unter dem Menüpunkt Ernährung finden Sie u. a. konkrete Tipps zur allergievorbeugenden und gesunden Ernährung von Schwangeren, stillenden Müttern, Neugeborenen und Kleinkindern. Außerdem können Sie auf der Website die PDF-Datei unserer Broschüre „Allergien vorbeugen – gesunde Entwicklung fördern“ herunterladen.

Herausgeber der S3-Leitlinie Allergieprävention

Federführende Fachgesellschaften:

  • Deutsche Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie e.V. (DGAKI)
  • Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin e.V. (DGKJ)

Beteiligung weiterer Gesellschaften:

  • Gesellschaft für Pädiatrische Allergologie und Umweltmedizin e.V. (GPA)
  • Deutsche Dermatologische Gesellschaft e.V. (DDG)
  • Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie e.V. (DGHNO-KHC)
  • Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e.V. (DGGG)
  • Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin >e.V. (DGP)
  • Deutsche Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und Ärztliche Psychotherapie e.V. (DGPM)
  • Deutsches Kollegium für Psychosomatische Medizin e.V. (DKPM)
  • Gesellschaft für Pädiatrische Gastroenterologie und Ernährung e.V. (GPGE)
  • Gesellschaft für Pädiatrische Pneumologie e.V. (GPP)

Die komplette Leitlinie finden Sie auf der Internetseite der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e. V.: www.awmf.org, Leitliniennummer: 061-016

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