Allergie-Impfung

Weniger Medikamente, geringeres Asthmarisiko

Wenn man doch nur dauerhaft etwas gegen Heuschnupfen tun könnte! Jahr für Jahr wünschen sich dies unzählige Allergiker. Der einzige Behandlungsansatz, der nicht allein die Symptome lindert, ist die Allergie-Impfung, die in die Immunreaktion eingreift. Eine aktuelle Studie bestätigt den langfristigen Effekt dieser Behandlung bei Atemwegsallergien. Insbesondere Kinder profitieren davon, da sich so das Risiko für Asthma reduzieren lässt.

Über Impfungen haben wir in den letzten zwei Jahren viel gelernt. Die wichtigste Information: Wir können unseren Körper durch eine Impfung vor bestimmten Infektionserkrankungen schützen. Durch die Impfung ist das Immunsystem in der Lage, Krankheitserreger abzuwehren, so dass die Erkrankung gar nicht ausbricht oder deutlich abgeschwächt wird.

Auch bei der Behandlung von Allergien kann eine Impfung sinnvoll sein, durch die das Immunsystem lernt, besser mit den krank machenden Fremdstoffen umzugehen. Allerdings ist hier die Lage anders. Zum einen sind Allergene keine Krankheitserreger, sondern harmlose Stoffe aus der Umwelt, die bei einigen Menschen eine übertriebene Abwehrreaktion des Immunsystems auslösen. Zum anderen baut die Allergie-Impfung auf den Gewöhnungseffekt, die Impfung gegen Krankheitserreger hingegen regt das Immunsystem dazu an, die Erreger künftig besser und schneller abwehren zu können.

Die Allergie-Impfung, die korrekterweise spezifische Immuntherapie (SIT) oder Allergen-Immuntherapie (AIT) heißt, eignet sich nicht für alle Allergene. Am häufigsten und erfolgreichsten kommt sie bei Allergien gegen Pollen (z. B. bei Gräser- und Baumpollenallergie) zum Einsatz, kann aber auch bei Hausstaubmilben- oder schweren Insektengiftallergien durchgeführt werden.

Das Prinzip dieser Therapie und der daraus folgende Gewöhnungseffekt lässt sich am besten erklären, wenn man sich kurz den Ablauf der allergischen Reaktion vergegenwärtigt: Bestandteile von z. B. Pollen schweben in der Atemluft und gelangen so in die Atemwege. Darauf reagiert das Immunsystem. Es kann zwischen körpereigenen und körperfremden Stoffen unterscheiden und auch zwischen harmlosen und gefährlichen. Aus bislang noch ungeklärten Gründen stuft unser Immunsystem jedoch mitunter harmlose Substanzen, wie z. B. die Bestandteile von Pollen, als gefährlich ein. Die Folge: Um diese vermeintlich gefährlichen Substanzen abzuwehren, bildet das Immunsystem spezifische Antikörper gegen genau diese „Allergene“. Das geschieht zunächst völlig unbemerkt, doch nun ist das Immunsystem sensibilisiert, also in Alarmbereitschaft. Kommt es zu einem erneuten Kontakt mit dem Allergen, sind die spezifischen Antikörper zur Stelle und sorgen für eine entsprechende Abwehrreaktion des Immunsystems. Diese Immunreaktion macht sich mehr oder weniger als Entzündung bemerkbar. Abhängig vom Ort des Geschehens, kommt es zu allergischem Schnupfen, Niesattacken, tränenden Augen oder auch lokalen Hautreaktionen.

Ziel der spezifischen Immuntherapie ist es, die Alarmbereitschaft des Immunsystems wieder abzuschwächen, so dass die Abwehrreaktion milder ausfällt und die Entzündung gedämpft wird. Dabei soll das Immunsystem über einen Gewöhnungseffekt lernen, die allergieauslösenden Substanzen nicht mehr als Gefahr zu sehen, sondern zu tolerieren. Das geschieht, indem der Patient über einen bestimmten Zeitraum regelmäßig eine genau festgelegte Dosis und Zubereitung dieser Allergene erhält.

Phase der Gewöhnung

Die Gabe der Allergenextrakte kann auf verschiedenen Wegen erfolgen. Am häufigsten und am längsten erprobt ist die subkutane Immuntherapie (SCIT). Dabei wird die Allergenlösung unter die Haut gespritzt. Da der Gewöhnungseffekt sehr langsam einsetzt, dauert die gesamte Behandlung zwischen drei und fünf Jahren. In der ersten Phase der Behandlung erhält der Patient in der Regel wöchentlich das Allergen und zwar in aufsteigender Dosierung, bis die sogenannte Erhaltungsdosis erreicht ist. Diese ist von Patient zu Patient unterschiedlich und muss vom behandelnden Arzt festgelegt werden. In der sich anschließenden Erhaltungsphase wird dann die festgelegte Allergendosis im Abstand von vier bis sechs Wochen verabreicht.

Eine Variante ist die sublinguale Immuntherapie (SLIT), die z. B. besonders bei Patienten mit Angst vor Spritzen eine Ausweichmöglichkeit bietet. Bei der SLIT werden die Allergenextrakte entweder in Form von Tropfen oder von Schmelztabletten, die man unter die Zunge legt, über die Mundschleimhaut aufgenommen. Auch hier erfolgen Medikamenteneinnahme und -dosierung nach einem zuvor festgelegten Therapieplan, die Behandlung erstreckt sich insgesamt über einen Zeitraum von etwa 3 Jahren.

Wirksamkeit und Vorbeugung von Folgeerkrankungen

Die Wirksamkeit der spezifischen Immuntherapie ist für bestimmte Gräser- und Baumpollenallergene, Hausstaubmilbenallergene, Wespen- und Bienengiftallergene durch zahlreiche Studien dokumentiert. Ein Großteil der Patienten hat anschließend für eine lange Zeit keine oder deutlich weniger Beschwerden und benötigt weniger Allergiemedikamente. Bei Allergien der Atemwege spielt die Therapie eine wichtige Rolle, da sie ein Fortschreiten der Erkrankung unterbinden kann. Dadurch lässt sich ein gefürchteter Wechsel der Allergie von den oberen auf die tieferen Atemwege (Etagenwechsel) verhindern. Sind die Voraussetzungen für die Therapie gegeben (s. Kasten), so empfiehlt es sich, frühzeitig mit der Therapie zu beginnen. Das, so zeigen Studien, erhöht die Wirksamkeit und reduziert das Risiko eines allergischen Asthmas. Die Gesellschaft für Pädiatrische Allergologie und Umweltmedizin (GPAU) rät daher Eltern dringend dazu, Heuschnupfen bei ihren Kindern ernst zu nehmen und einen Allergologen aufzusuchen. Nur so kann eine verlässliche Diagnose und zielgerichtete Therapie, ggf. eine Allergen-Immuntherapie erfolgen (s. dazu Empfehlungen der GPAU).

Vorrausetzungen für eine Allergie-Impfung

Ob eine Allergie-Impfung infrage kommt oder nicht, kann nur ein allergologisch qualifizierter Facharzt entscheiden. Wichtige Voraussetzungen sind, dass ein eindeutiger Zusammenhang zwischen Allergenkontakt und Auftreten von Allergiesymptomen nachgewiesen ist und passende geprüfte Allergenextrakte zur Verfügung stehen. Außerdem können bestimmte Krankheiten, die Einnahme von Medikamenten, das Alter (jünger als 5 Jahre) oder die fehlende Bereitschaft für eine lange Therapie mit regelmäßigen Arztbesuchen gegen die Allergie-Impfung sprechen.

Risiken und Nebenwirkungen

Bei allem Nutzen dürfen jedoch auch die Risiken der Behandlung nicht außer Acht gelassen werden. Unangenehm, aber harmlos sind lokale Reaktionen in Form von Schwellungen oder Rötungen rund um die Einstichstelle. Aber auch heftigere allergische Reaktionen und asthmaartige Symptome sind möglich. Schlimmstenfalls kann ein allergischer Schock mit Kreislaufversagen auftreten. Dieses Risiko ist sehr gering und vor allem bei der subkutan verabreichten Immuntherapie gegeben. Dennoch ist es Grund genug, die SCIT immer unter ärztlicher Kontrolle durchzuführen. Außerdem sollte der Patient zur Sicherheit im Anschluss an die Spritze mindestens 30 Minuten unter Beobachtung in der Arztpraxis bleiben.

Anders sieht es bei der sublingualen Therapie aus. Hier werden nach einer einweisenden Behandlung zu Beginn die Tropfen oder Tabletten im Regelfall zu Hause eingenommen. Die Nebenwirkungen sind weniger schwerwiegend, können lokal aber ausgeprägt sein und ein Kribbeln und Brennen auf der Zunge und im Rachen verursachen. Kommt es zu diesen Symptomen, brechen einige Patienten die Behandlung ohne Rücksprache mit dem Arzt ab. Davon wird jedoch dringend abgeraten. Es sollte bei allen unerwarteten Effekten immer der Rat eines allergologisch erfahrenen Arztes eingeholt werden.

REACT(REAl-world effeCTiveness of allergy immunotherapy)-Studie

Im Februar dieses Jahres wurden die Ergebnisse einer sogenannten „Real-world-evidence“- Studie zur langfristigen Wirksamkeit der Allergie- Impfung veröffentlicht. Anders als bei klinischen Studien, in denen die Wirksamkeit und Sicherheit von Therapien bei einer bestimmten Patientengruppe unter vorab definierten Kriterien untersucht wird, wertet man in „Real-world-evidence“-Studien die Behandlungsergebnisse aus dem „realen“ Praxisalltag aus. In der REACT(REAl-world effeCTiveness of allergy immunotherapy)-Studie wurde der therapeutische Effekt der Allergie-Impfung über einen Zeitraum von mehr als neun Jahren nach Beginn der Behandlung untersucht. Dazu hat man mehr als 92 000 Patienten mit Atemwegsallergien (mit oder ohne Asthma) gegen die drei wichtigsten Allergene Hausstaubmilben, Gräserpollen und Baumpollen beobachtet. Die Hälfte der Patienten hatte eine Allergen-Immuntherapie bekommen. Das Ergebnis: Die Allergen-Immuntherapie führt dazu, dass langfristig die Einnahme von Allergie- und Asthmamedikamenten reduziert werden kann. Zudem sinkt das Risiko für Lungenentzündungen und Krankenhausaufenthalte und es treten seltener heftige allergische Reaktionen (Anaphylaxien) auf.

Fritzsching B, Contoli M, Porsbjerg C et al.: Long-term real-world effectiveness of allergy immunotherapy in patients with allergic rhinitis and asthma: Results from the REACT study, a retrospective cohort study. Lancet Reg Health Euro 2022; 13: 100275. doi.org/10.1016/j.lanepe. 2021.100275

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