Therapie mit Antikörpern

Chronisch-entzündliche Hauterkrankungen wie Neurodermitis werden seit einigen Jahren erfolgreich mit Antikörpern behandelt. Seit man weiß, über welche Botenstoffe die Entzündungsreaktion maßgeblich gesteuert wird, versucht man gezielt, diese zu blockieren, um so das Krankheitsgeschehen einzudämmen.

Auch wenn die Symptome der Neurodermitis überwiegend die Haut betreffen, spielt sich das Krankheitsgeschehen zum großen Teil woanders ab. Es ist das Immunsystem, das fehlerhaft reagiert. Daher setzt man auf die Entwicklung von Medikamenten, die gezielt in die Abläufe der Immunreaktion eingreifen. Eine solche Immuntherapie mit sogenannten Biologika kommt bereits bei der Behandlung von Neurodermitis zum Einsatz.

Wie diese modernen Therapeutika wirken und an welchen Zielstrukturen sie die Immunreaktion beeinflussen, soll ein kurzer Einblick in die Funktionsweise des Immunsystems sowie ins Krankheitsgeschehen bei Neurodermitis verdeutlichen.

Immunabwehr

Das Immunsystem erkennt Krankheitserreger und Schadstoffe aus der Umwelt (Allergene), mit denen der Körper in Kontakt kommt. Bei der dadurch hervorgerufenen Abwehrreaktion werden verschiedene spezialisierte Immunzellen aktiviert. Eine entscheidende Rolle übernehmen dabei bestimmte weiße Blutkörperchen, die T-Helferzellen, eine Subgruppe der T-Zellen. T-Helferzellen (kurz: Th-Zellen) schütten Zytokine aus. Das sind Botenstoffe, die durch das Übertragen von Signalen die Aktivität der Immunzellen steuern. Abhängig davon, welche Zytokine freigesetzt werden und wodurch letztendlich die Immunantwort bestimmt wird, teilt man die Th-Zellen in Untergruppen ein. Die wichtigsten Untergruppen sind Th1 und Th2. Seit einiger Zeit kennt man einen weiteren speziellen Typ, die Th17-Helferzellen.

Vereinfacht kann man sich den Ablauf einer solchen Reaktion, die durch körperfremde Stoffe ausgelöst wird, so vorstellen: Dringen sie über die Haut ein, werden sie hier von speziellen Immunzellen (Langerhanszellen) aufgenommen und zerlegt. Die Bruchstücke werden dann als Antigen auf der Zelloberfläche den T-Zellen präsentiert. Das ist der Start für die eigentliche Abwehrreaktion, in deren Folge verschiedene Zytokine ausgeschüttet werden, die eine Entzündung auslösen (siehe Grafik).

Bei Patienten mit Neurodermitis fällt diese Reaktion nicht nur deutlich heftiger aus als bei Menschen mit gesunder Haut, sondern sie wird oftmals auch durch an sich harmlose Stoffe ausgelöst. Das liegt u. a. daran, dass aufgrund einer genetischen Veranlagung die natürliche Barrierefunktion der Haut gestört ist. Dadurch ist die Haut sehr empfindlich und Fremdstoffe können leichter eindringen. Ein weiterer Grund ist ebenfalls genetisch bedingt. Durch eine gestörte T-Zell-Regulation entsteht ein Ungleichgewicht zwischen Th1- und Th2-Zellen. Dadurch werden Immunreaktionen überwiegend über Th2-Zellen gesteuert, was u. a. zur vermehrten Freisetzung ganz bestimmter Zytokine führt. Man weiß inzwischen, dass einige dieser Zytokine eine chronische Entzündung der Haut fördern. Damit erklärt sich auch, warum bei Neurodermitis die Entzündung selbst dann nicht vollständig abklingt, wenn die auslösenden Stoffe erfolgreich abgewehrt wurden. Vielmehr läuft die Reaktion beständig auf kleiner Flamme weiter und kann jederzeit wieder angefacht werden.

Bedeutung von Zytokinen

Zytokine dienen der Signalübertragung zwischen den Zellen und werden deshalb auch als Botenstoffe bezeichnet. Sie werden von einer Zelle freigesetzt und von anderen Zellen über Rezeptoren auf deren Zelloberfläche wahrgenommen. Abhängig davon, welche Wirkung die Zytokine auf die Zielzelle auslösen, unterscheidet man verschiedene Gruppen. Zytokine, die bei einer Abwehrreaktion Signalgeber für die Immunzellen sind, gehören zur Gruppe der Interleukine (IL). Man konnte inzwischen einige dieser Zytokine identifizieren, die für die chronische Entzündung der Haut und den anhaltenden Juckreiz eine wesentliche Rolle spielen. Dazu gehören IL-4, IL-5, IL-13, IL-17 sowie IL-31.

Gezielte Blockade der Signalübertragung

Aus diesen Erkenntnissen folgt nun ein wichtiger Therapieansatz zur Behandlung von Neurodermitis. Man versucht, gezielt in die Entzündungsreaktion einzugreifen, indem man die Signalübertragung der Interleukine blockiert. Hier kommen Biologika ins Spiel.

Biologika sind mit Mitteln der Biotechnologie im Labor hergestellte Eiweißstoffe, die wie Antikörper funktionieren. Antikörper, die natürlicherweise vom Immunsystem gebildet werden, machen Krankheitserreger und andere Fremdstoffe unschädlich, indem sie sich an bestimmte Bindungsstellen der Antigene heften und sie so abfangen. Genau diesen Mechanismus hat man sich für die Therapie abgeschaut: Die im Labor hergestellten monoklonalen Antikörper haben die Aufgabe, Zielstrukturen von Immunzellen zu blockieren, um so die Signalübertragung über bestimmte Zytokine zu verhindern (siehe Grafik).

Zur Therapie von Neurodermitis werden Antikörper entwickelt, die an die Rezeptoren für Interleukine binden oder deren Produktion hemmen sollen. Der erste Antikörper (Dupilumab), der 2017 zur Therapie der Neurodermitis zugelassen wurde, richtet sich gegen IL-4 und IL-13. Im Juni dieses Jahres wurde ein zweiter Antikörper (Tralokinumab) zugelassen, der ebenfalls den IL-13-Rezeptor blockiert. Weitere Biologika zur Behandlung von Neurodermitis sind in der klinischen Entwicklung, die zum Teil schon weit fortgeschritten ist. Neben Antikörpern gegen IL-4 und IL-13 gehören dazu z. B. Antikörper gegen IL-17, IL-22 und IL-31 sowie Antikörper gegen weitere Stoffe, die über ihre Bindung an bestimmte Immunzellen die Entzündungsreaktion anfachen. Ohne Frage werden Biologika in der Therapie der Neurodermitis zunehmend an Bedeutung gewinnen.

Behandlung mit Biologika

Eine Therapie mit Antikörpern kann derzeit bei Patienten mit mittelschwerer bis schwerer Neurodermitis eingesetzt werden. Dupilumab ist für Patienten ab 6 Jahren, Tralokinumab für Erwachsene zugelassen. Dazu sollte man auch wissen, dass Biologika in der Regel unter die Haut gespritzt werden müssen. Aufgrund ihrer Struktur und Größe können sie nicht über den Magen-Darm-Trakt aufgenommen werden, so dass die Einnahme in Form von Tabletten oder Tropfen bisher nicht möglich ist. Die meisten Patienten lernen schnell, mit dieser Therapieform umzugehen. Der Arzt verordnet Fertigspritzen oder Pens, die den Wirkstoff in festgelegter Dosierung enthalten. Dieser wird dann unter die Haut in Oberschenkel oder Bauch appliziert. Nach Anleitung durch den Arzt oder medizinisches Fachpersonal ist es fast allen Patienten möglich, sich das Medikament zu Hause selbst zu verabreichen – je nach ärztlicher Verordnung alle 2 oder alle 4 Wochen.

Wie bei jeder Therapie sollte man auch bei Biologika die möglichen Nebenwirkungen im Blick haben. Ein Vorteil dieser Medikamente ist, dass sie sehr zielgenau in das Entzündungsgeschehen eingreifen. Sie sind daher in der Regel gut verträglich. Zu den häufigsten Nebenwirkungen gehören kurzzeitige Reaktionen wie Hautrötung mit Juckreiz an der Einstichstelle, gerötete, juckende Augen und Augenlider sowie bei Tralokinumab Infektionen der oberen Atemwege und bei Dupilumab in sehr seltenen Fällen allergische Reaktionen.

Weitere Informationen zur Behandlung von Neurodermitis finden Sie auf unserer Internetseite unter: www.dha-neurodermitis-behandeln.de

Wissenschaftliche Hintergrundinformationen

Worm M, Francuzik W, Kraft M, Alexiou A: Moderne Therapie der atopischen Dermatitis: Biologika und kleinmolekulare Medikamente. JDDG 2020; 18(10): 1085–93. doi:10.1111/ddg.14175_g

Quint T, Bangert C: Biologika-Therapie der atopischen Dermatitis. hautnah 2021; 20: 37–44. doi. org/10.1007/s12326-020-00418-2

Wir verwenden Cookies, um unsere Webseite für Sie optimal zu gestalten, Funktionen für soziale Medien anbieten zu können und die Zugriffe auf unsere Website zu analysieren.