Hautjucken der heftigsten Form
Es kribbelt, sticht, beißt, brennt. Das Jucken der Haut lässt sich kaum beschreiben. Außer dass es sehr heftig, fast schmerzhaft ist und einfach nicht mehr aufhört. Prurigo nodularis gilt als eine der heftigsten Formen chronischen Juckreizes mit massiven Auswirkungen auf die Lebensqualität der Betroffenen.
Prurigo nodularis ist eine seltene entzündliche Hauterkrankung. Die Bezeichnung kommt aus dem Lateinischen: „Prurigo“ bedeutet Jucken, „nodularis“ knötchenförmig. Damit ist das Krankheitsbild schon gut charakterisiert. Ergänzend lässt sich noch hinzufügen: Unter allen Formen des chronischen Juckens gilt Prurigo nodularis als die heftigste. Die kleinen, voneinander abgegrenzten Papeln und Knötchen jucken extrem und anhaltend. Betroffene beschreiben das permanente Hautjucken als punktuell stechend, brennend und schmerzend.
Krankheitsverlauf
Vieles zu den Ursachen und zur Entstehung der Erkrankung gibt nach wie vor Rätsel auf. Der Verlauf der Erkrankung ist hingegen ziemlich genau bekannt. Alles beginnt mit chronischem Jucken der Haut. Als chronisch wird das Jucken bezeichnet, wenn es mindestens 6 Wochen anhält.
Für den anfänglichen Juckreiz (Pruritus) kommen ganz verschiedene Auslöser in Frage (s. Kasten). Das können Hauterkrankungen sein, die mit chronischem Juckreiz einhergehen, innere und neurologische Erkrankungen, bei denen Juckreiz als Begleitsymptom auftritt, sowie in sehr seltenen Fällen psychische Erkrankungen, die ein erhöhtes Juckempfinden auslösen. Außerdem kann chronischer Juckreiz als Nebenwirkung nach Einnahme bestimmter Medikamente auftreten.
In Deutschland leiden schätzungsweise 100 von 100 000 Menschen an Prurigo nodularis, einer der heftigsten Formen chronischen Juckreizes.
Mögliche Auslöser von chronischem Juckreiz (Pruritus) und Prurigo nodularis
- Hauterkrankungen (u. a. Neurodermitis, bullöses Pemphigoid, Urtikaria, Psoriasis, Infektionen mit Milben [Krätze], Hautpilzerkrankungen)
- Innere Erkrankungen (u. a. chronische Nierenund Lebererkrankungen, Diabetes, verschiedene Stoffwechselstörungen, HIV-Infektion, Eisenmangel)
- Neurologische Erkrankungen (u. a. Multiple Sklerose, Gürtelrose, Neuropathien)
- Psychische Erkrankungen (u. a. Depression, Anorexia nervosa [Magersucht], Halluzinationen, Schizophrenie)
- Nebenwirkung von Medikamenten (u. a. Antibiotika, Entzündungshemmer, bestimmte Psychopharmaka, Blutgerinnungsmittel)
Unabhängig vom Auslöser: Wenn die Haut permanent heftig juckt, lässt sich das auf Dauer nicht ignorieren. Kurzzeitig mag es gelingen, sich abzulenken und die Missempfindung z. B. durch Kühlen der Haut zu lindern. Meist ist es aber nur eine Frage der Zeit, bis der Kratzimpuls übermächtig wird. Geben Betroffene dem nach, sind sie bald in einem Kreislauf aus Jucken und Kratzen gefangen. Denn intensives Kratzen verstärkt das Jucken, da dadurch weitere Nerven- und Entzündungszellen stimuliert werden. Obendrein werden der Haut beim Kratzen meist kleine Verletzungen zugefügt, was das Entzündungsgeschehen weiter anfacht. Eine weitere seltene, aber mögliche Folge andauernden Kratzens sind Veränderungen der Haut. Dort, wo heftig gekratzt wurde, entstehen kleine, stark verhornte, rötlich braune Knoten. Das ist der Beginn der Prurigo nodularis. Die quälend juckenden Knötchen haben eine Größe von wenigen Millimetern bis an die drei Zentimeter. Sie treten vor allem an Rumpf, Armen und Beinen auf. Mit jeder Kratzattacke können weitere Knötchen hinzukommen. Je nach Schweregrad der Erkrankung ist der Körper mit einer Vielzahl von Knötchen übersät, die zum Teil aufgekratzt, verschorft und vernarbt sind. Der körperliche und psychosoziale Leidensdruck der Patienten ist entsprechend hoch (s. Kasten).
Mögliche Folgen anhaltenden Juckreizes
Der anhaltende extreme Juckreiz hat Auswirkungen auf die körperliche und psychische Gesundheit. Die Lebensqualität leidet zum Teil erheblich. Häufige Folgen sind:
- Schlafstörungen
- Anspannung, Stress
- Angstzustände, depressive Verstimmung
- Beeinträchtigungen im Alltag
- Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit, z. B. in Schule und Beruf
- Beeinträchtigungen im Sozialleben, sozialer Rückzug
Um den Krankheitsverlauf zu stoppen, muss das Jucken der Haut abgestellt oder zumindest gelindert werden. Hautberuhigende Maßnahmen allein helfen da meistens nicht weiter. Erfolgreicher ist es, bei den Ursachen des Juckempfindens anzusetzen. Dafür muss man verstehen, was im Körper abläuft, wenn die Haut juckt. Seit Jahren wird dazu intensiv geforscht. Vieles ist noch ungeklärt, doch weiß man inzwischen einiges über das komplexe Zusammenspiel von Haut, Immun- und Nervensystem und die Mechanismen der Entzündungsreaktion. So ist bekannt, dass bestimmte entzündungsfördernde Botenstoffe (Zytokine, Interleukine) dabei eine besondere Rolle spielen. Auf Grundlage dieser Kenntnisse konnten neue Therapieansätze und Medikamente entwickelt werden.
Individuelle Behandlung
Die Therapie der Prurigo nodularis setzt sich aus verschiedenen Bausteinen zusammen und hängt vom Schweregrad der Erkrankung und dem Leidensdruck des Patienten ab. Der Arzt wird also einen individuellen Behandlungsplan erstellen. Wichtig ist, dass neben der juckenden Haut auch die für den chronischen Juckreiz verantwortliche Grunderkrankung diagnostiziert und behandelt wird. Das ist u. U. nicht Sache des Hautarztes.
Zur Linderung des Juckens werden üblicherweise verschiedene Therapiebausteine kombiniert (s. Kasten unten). Basis sind nichtmedikamentöse Maßnahmen, zu denen u. a. Hautschutz und die konsequente Hautpflege gehören. Die kranke und empfindliche Haut ist meist sehr trocken und sollte daher regelmäßig mit Fett und Feuchtigkeit versorgt werden. Das schützt sie vor weiteren Reizungen und unterstützt sie bei ihrer Regeneration. Bei Prurigo nodularis reicht dies allein jedoch nicht aus, um den Kreislauf aus Jucken und Kratzen zu durchbrechen. Daher schließt sich eine Therapie mit Cremes und Salben an, die Wirkstoffe gegen den Juckreiz und die Entzündung enthalten (topische Therapie). Zur Behandlung von chronischem Juckreiz zeigen verschiedene topische Therapeutika nachweislich Erfolg. Welche Wirkstoffe in welcher Wirkstärke zum Einsatz kommen, richtet sich nach dem akuten Hautzustand. Ein weiterer Therapiebaustein ist die UV-Phototherapie. Dabei wird die Haut gezielt mit UV-Licht einer bestimmten Wellenlänge bestrahlt.
Ist der Juckreiz deutlich ausgeprägt – und dies ist bei vielen Patienten mit Prurigo nodularis der Fall –, stoßen Therapien, die nur lokal auf der behandelten Haut wirken, an ihre Grenzen. Nun sind Medikamente gefragt, die auf das gesamte Körpersystem wirken (systemische Therapie). Die Wirkstoffe werden in Form von Tabletten eingenommen oder unter die Haut gespritzt. Folglich gelangen sie ins Blut und werden über den Blutkreislauf im gesamten Körper verteilt. Dabei ist es von Vorteil, wenn die Wirkstoffe möglichst zielgenau in die Entzündungsreaktion und den Mechanismus der Juckreizentstehung eingreifen. Aus diesem Grund gewinnen Arzneistoffe aus der Gruppe der Biologika zunehmend an Bedeutung. Biologika ist die Bezeichnung für Medikamente, die aus biologischen Substanzen (z. B. Zellbestandteile oder Eiweißstoffe) mittels biotechnologischer Verfahren hergestellt werden. Das Entscheidende an diesen Wirkstoffen ist, dass sie den natürlichen Strukturen unserer Körperabwehr ähneln. Man kann sie daher ganz gezielt einsetzen, um Entzündungsreaktionen und fehlgeleitete Abläufe im Immunsystem zu unterdrücken. Zur Behandlung von Juckreiz können z. B. die für den Juckreiz mitverantwortlichen Interleukine durch einen biotechnologisch hergestellten Antikörper gehemmt werden.
Unterstützung der Psyche
Das Ausmaß des Juckempfindens steht meist im engen Zusammenhang mit psychischen Belastungen. Stress und Anspannung beispielsweise verstärken den Juckreiz, der wiederum selbst ein Stressfaktor ist. Hilfreich sind daher alle Maßnahmen, die dem Abbau von psychischem Druck dienen. Dazu gehört z. B. das Erlernen von Entspannungstechniken wie autogenem Training und Übungen zur Stressverarbeitung. Außerdem können Techniken zur Vermeidung des Kratzens eingeübt werden, z. B. die Kontrolle des Reflexes durch starke Konzentration.
Darüber hinaus benötigen einige Patienten eine intensivere psychotherapeutische Begleitung. Wenn das unerträgliche Jucken der Haut zur alles bestimmenden Wahrnehmung wird, hat das Auswirkungen auf die psychische Gesundheit. Als direkte Folge sind Konzentrations- und Leistungsfähigkeit stark beeinträchtigt und es kommt zu anhaltenden Schlafstörungen. Viele Patienten fühlen sich so unwohl, aber auch so erschöpft, dass sie soziale und zwischenmenschliche Kontakte meiden und sich immer mehr zurückziehen. Insgesamt kann die Belastungssituation Ausgangspunkt psychischer Störungen und Erkrankungen sein. Patienten entwickeln beispielsweise eine Anpassungsstörung, erhöhte Ängstlichkeit (Angststörung) sowie depressive Störungen bis hin zu ausgeprägten Depressionen. Diese psychischen Störungen bzw. Erkrankungen bedürfen einer eigenständigen Diagnose und anschließenden Therapie.
Durchhaltevermögen gefordert
Da die Prurigo nodularis von so vielen verschiedenen Faktoren beeinflusst wird, äußere Reize, die auslösende Grunderkrankung und psychische Belastungen eine Rolle spielen, sind nicht nur die einzelnen Therapiemaßnahmen bei jedem Patienten anders, sondern auch der Krankheitsverlauf kann sehr unterschiedlich ausfallen. Meistens dauert es eine ganze Zeit – das können mehrere Wochen aber auch mehrere Monate sein –, bis die Behandlung langfristige Erfolge zeigt. Patienten brauchen neben viel Selbstdisziplin also auch Durchhaltevermögen und Geduld.
Tipp: Symptomtagebuch
Um chronischen Juckreiz optimal behandeln zu können, hilft es zu wissen, in welchen Situationen das Juckempfinden besonders intensiv ist. Ärzte raten daher dazu, eine Zeit lang ein Symptomtagebuch zu führen. Sehr einfach lässt sich dies z. B. mit der ItchyApp dokumentieren. Die ItchyApp wurde in Zusammenarbeit mit internationalen Juckreizexperten entwickelt. Sie ist kosten- und werbefrei. Die Daten, die der Nutzer einträgt, werden nur auf dem Smartphone gespeichert und nicht unerwünscht an Dritte übertragen. Weitere Infos: https://hippokrates-it.de/ItchyApp.html
Chronisches Jucken der Haut ist ein Begleitsymptom verschiedener Erkrankungen, hat jedoch zugleich einen eigenständigen Krankheitswert und löst selbst wiederum Folgesymptome aus. Entsprechend hat die Therapie drei Bestandteile: 1. Behandlung der Grunderkrankung, 2. Behandlung des Juckens, 3. Behandlung der möglichen Folgen anhaltenden Juckens. Unabhängig von der Grunderkrankung werden zur Behandlung des Hautjuckens folgende Therapiemöglichkeiten empfohlen:
Behandlung des Hautjuckens
1. Allgemeine Therapiemaßnahmen zur Linderung des chronischen Pruritus
Das gilt es zu vermeiden: Faktoren, die die Hauttrockenheit fördern (z. B. Hitze, Eispackungen, häufiges Waschen und Baden), Kontakt mit hautreizenden Stoffen und Substanzen (z. B. Kamille, Teebaumöl), heißes, stark gewürztes Essen, größere Mengen von heißen Getränken und Alkohol, Aufregung, negativer Stress. Bei Neurodermitis/Allergien sollten außerdem Allergene gemieden werden.
Hautpflege: Sanfte Körperreinigung mit z. B. milden Waschsyndets oder Dusch- und Badeölen, nicht zu heißem Wasser, kurzem Wasserkontakt sowie sanftem Abtrocknen/Abtupfen der Haut; regelmäßiges (mindestens einmal täglich, insbesondere nach der Hautreinigung) Eincremen der Haut mit rückfettenden Cremes oder Lotionen, die dem akuten Hautzustand angepasst sind; zur kurzfristigen Juckreizlinderung ggf. Cremes/Lotionen/Spray mit Harnstoff, Menthol, Polidocanol, Gerbstoffen, Anwendung feuchter oder kühlender Umschläge oder von Fett-Feucht-Umschlägen.
Erlernen von Entspannungs- und Bewältigungsstrategien: Entspannungstechniken (z. B. autogenes Training, progressive Muskelentspannung), kognitive Techniken (z. B. Entkatastrophisieren, Ablenkungs- und Fokussierungsstrategien), Vermeidung sozialen Rückzugs, Methoden, den Juck-Kratz-Zirkel zu durchbrechen.
2. Medikamentöse Therapie
Topische Therapie mit Wirkstoffen folgender Wirkstoffgruppen:
- Topische Lokalanästhetika: Sie bewirken eine kurzzeitige örtliche Betäubung.
- Topische Glukokortikosteroide: Glukokortikosteroide (auch als Kortison bezeichnet) haben lokal entzündungshemmende und juckreizlindernde Wirkung.
- Capsaicin-Creme: Der Wirkstoff Capsaicin findet sich in Paprika- und Chilischoten (den Früchten von Capsicumpflanzen) und hat durchblutungsfördernde sowie schmerzlindernde Wirkung.
- Calcineurinhemmer: Die Wirkstoffe hemmen die Aktivität bestimmter Immunzellen der Haut, wirken so gegen die Entzündung und den Juckreiz.
UV-Therapie beeinflusst Haut- und Immunzellen.
Systemische Therapie mit Wirkstoffen folgender Wirkstoffgruppen:
- Antihistaminika: Antihistaminika hemmen die Freisetzung des juckreizfördernden Botenstoffes Histamin (empfohlen werden nicht sedierende Antihistaminika, also solche, die nicht müde machen).
- Systemische Glukokortikosteroide: Glukokortikosteroide hemmen die Entzündungsreaktion und damit das Entstehen von Juckreiz.
- Systemische Immunsuppressiva: Immunsuppressiva hemmen die Aktivität von Immunzellen, beeinflussen damit den Entzündungsprozess und das Entstehen des Juckempfindens.
- Biologika: Aus dieser Wirkstoffgruppe ist derzeit ein Antikörper (Dupilumab) zugelassen. Er hemmt die Freisetzung bestimmter entzündungsfördernder Botenstoffe (Interleukine).
- Medikamente gegen Nervenschmerzen: Bestimmte Wirkstoffe gegen neuropathische Schmerzen hemmen die Weiterleitung von Nervensignalen und damit auch das Signal für Juckempfinden.
- Antidepressiva: Einige Antidepressiva, die die Aktivität bestimmter Nervenbotenstoffe beeinflussen, lindern dadurch auch das Juckempfinden.
(Quellen: Diagnostik und Therapie des chronischen Pruritus, https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/013-048; Zeidler C et al.: Chronic prurigo of nodular type: a review. Acta Derm Venereol 2018; 98: 173–9.)