Neue Therapien bei entzündlichen Hauterkrankungen
Um die Immunreaktion bei entzündlichen Hauterkrankungen besser unter Kontrolle zu bringen, versucht man, gezielt die Signalwege zu unterbrechen, die den Entzündungsprozess auslösen und in Gang halten. Neben Antikörpern, die bei mittlerer bis schwerer Neurodermitis und bei Psoriasis erfolgreich eingesetzt werden, kommen vermehrt kleine Moleküle zum Einsatz, die sich gegen spezielle Enzyme, die Januskinasen (JAK), richten. Wie wirken diese speziellen Enzyme, welche Vorteile haben JAK-Hemmer und welche Einsatzgebiete sind in Zukunft möglich?
Zu den entzündlichen Hauterkrankungen (Dermatosen) gehören weit verbreitete Hautkrankheiten wie Neurodermitis, Psoriasis, Vitiligo oder auch kreisrunder Haarausfall (Alopecia areata). Die Therapie erfolgt üblicherweise zunächst mit äußerlich anzuwendenden Medikamenten. Wenn mit dieser sogenannten lokalen oder topischen Behandlung keine ausreichende Wirkung erreicht werden kann, verordnen Dermatologinnen und Dermatologen systemisch, d. h. innerlich wirkende Arzneimittel. Eine wichtige Rolle spielen dabei antikörperbasierte Therapien (Biologika). Daneben konnten in den vergangenen Jahren mit sogenannten small molecules, also „kleinen Molekülen“, gute Behandlungserfolge erzielt werden.
Rolle von Zytokinen bei Entzündungen
Um den Wirkansatz dieser Therapeutika zu verstehen, muss man sich den Entzündungsprozess genauer anschauen. An vielen entzündlichen Dermatosen sind ganz bestimmte entzündungsfördernde Stoffe beteiligt. Diese Stoffe gehören zur Gruppe der Zytokine. Zytokine dienen der Signalübertragung zwischen Immunzellen. Sie steuern das Wachstum und die Differenzierung der Zellen und haben Einfluss auf Immunreaktionen. Damit spielen sie bei der Immunabwehr eine wichtige Rolle, können aber auch ursächlich zur Entstehung von Autoimmunkrankheiten beitragen. Die Idee ist nun, möglichst gezielt die Aktivität von entzündungsfördernden Zytokinen zu hemmen. Hier kommen Januskinasen, kurz: JAK, ins Spiel. Das sind spezielle Enzyme, die durch Zytokine aktiviert werden und Teil des sogenannten JAKSTAT- Signalwegs innerhalb von Zellen sind. Ein aktivierter JAK-STAT-Signalweg hat eine Vielzahl von Auswirkungen. So kommt es u. a. zur Bildung weiterer entzündungsfördernder Zytokine und Aktivierung von Immunzellen. „Der JAK-STAT-Signalweg ist ein wesentlicher Schlüssel bei der Behandlung immunologischer und chronisch-entzündlicher Erkrankungen. Wenn es gelingt, entzündungsfördernde Zytokinkaskaden zu stoppen, hat das unmittelbar eine Wirkung auf die Entzündungsreaktion“, erklärt Professor Dr. med. Michael Hertl, Direktor der Klinik für Dermatologie und Allergologie am Universitätsklinikum Marburg und Präsident der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG). Genau dies tun sogenannte JAK-Hemmer, indem sie die STAT-Andockstellen besetzen und die Signalkaskade unterbrechen.
Der Ansatz, Zytokine zu hemmen, ist nicht neu. Im Vergleich zu den Biologika, die ebenfalls Zytokine hemmen, fangen JAK-Hemmer die Zytokinsignale nicht außerhalb, sondern innerhalb der Zelle ab und richten sich nicht nur gegen einzelne, sondern gleich gegen mehrere Zytokine. Während Biologika eine große Molekülstruktur besitzen und daher in Form von Spritzen verabreicht werden, bestehen JAK-Hemmer aus kleinen Molekülen, so dass sie in Tablettenform eingenommen werden können.
Therapeutischer Einsatz von JAK-Hemmern
Die JAK-Hemmer werden bereits seit einigen Jahren erfolgreich bei rheumatoider Arthritis eingesetzt. Bei mittelschwerer bis schwerer Neurodermitis und Psoriasis erbrachten sie ebenfalls überzeugende Ergebnisse, was zu der Zulassung einiger JAK-Hemmer in der EU führte. „Aussichtsreich sind diese Systemtherapeutika aber auch bei anderen entzündlichen Hautkrankheiten wie beispielsweise bei Alopecia areata (kreisrundem Haarausfall), ferner auch bei stark juckenden Hauterkrankungen“, erklärt Professor Hertl.
Die Wirkung von JAK-Hemmern bei kreisrundem Haarausfall bestätigen mehrere Studien. Die Auswertung von 30 kleinen Studien ergab, dass bei 72,4 Prozent der Patientinnen und Patienten mit Alopecia areata die Therapie erfolgreich war, d. h., die Haare wuchsen komplett oder partiell nach. Vielversprechend auch das Ergebnis einer anderen Studie: Hier hatten die teilnehmenden Frauen und Männer zu Beginn der Studie einen über 50-prozentigen Haarausfall auf der Kopfhaut. Eine Gruppe wurde mit dem Medikament (Verumgruppe), die andere mit Placebo behandelt. Nach 24 Wochen Behandlung hatten, verglichen mit der Placebogruppe, die Teilnehmenden der Verumgruppe einen Haarausfall von 20 Prozent oder weniger.
Das Nebenwirkungsprofil der JAK-Hemmer, die in Form von Tabletten oder Kapseln eingenommen werden, ist übersichtlich. Infektionen z. B. im Nasen- und Rachenraum oder in den Atemwegen können häufiger auftreten. Außerdem konnten Harnwegsinfektionen, Magen-Darm-Beschwerden und Akne beobachtet werden. „Wenn eine Infektion akut ist, soll die Therapie mit JAK-Inhibitoren natürlich pausiert werden“, so Professor Hertl. Das gehe aber durch die orale Applikation und kurze Halbwertzeit der Medikamente sehr gut, ergänzt der DDG-Präsident.
Bei der Behandlung der autoimmun verursachten Vitiligo (Weißfleckenkrankheit) könnten künftig JAKHemmer ebenfalls neue Möglichkeiten bieten. Auch hierzu gibt es Studienergebnisse. In diesem Fall wurde der JAK-Hemmer per Creme verabreicht. Eine Verbesserung der erkrankten Gesichtshaut mit Rückgang der weißen Flecken wurde bei circa 50 Prozent der Patientinnen und Patienten aus der Verumgruppe gegenüber 3 Prozent aus der Placebogruppe erreicht. „Das sind vielversprechende Ergebnisse, die nahelegen, dass diese Creme eine wirksame Therapieoption für Patientinnen und Patienten mit Vitiligo sein könnte“, betont Hertl.
Fazit: Mit den JAK-Hemmern stehen neben den Biologika eine ganze Reihe neuer Medikamente für die Behandlung verschiedener Entzündungserkrankungen zur Verfügung.
Quellen:
- Deutsche Dermatologische Gesellschaft: Kleine Moleküle gegen Neurodermitis, Psoriasis, Vitiligo und kreisrunden Haarausfall. www.derma.de
- Klein B, Treudler R, Simon JC: JAK-Inhibitoren in der Dermatologie – kleine Moleküle, große Wirkung? Übersicht über Wirkmechanismus, Studienergebnisse und mögliche unerwünschte Wirkungen. J Dtsch Dermatol Ges 2022; 20(1): 19–25. German. doi: 10.1111/ddg.14668_g. PMID: 35040564.