Urtikaria

Juckende Quaddeln auf der Haut

Die Urtikaria oder Nesselsucht gehört zu den 20 häufigsten Erkrankungen der Haut. Die stark juckenden, roten Hautquaddeln können ganz plötzlich auftreten und ebenso spontan auch wieder verschwinden. Manchmal lassen sich die Auslöser, z. B. Medikamente, Nahrungsmittel, Infektionen, Autoimmunerkrankungen oder äußere Reize wie Druck, Kälte und Wärme, finden. Häufig bleibt die Ursache der Quaddeln aber ungeklärt.

Es sieht aus, als hätte man ein Bad in Brennnesseln genommen. Einzeln oder großflächig in landkartenähnlichen Gebilden angeordnet, erheben sich auf der Haut stark juckende Quaddeln. Etwa jeder Vierte kennt diese Hauterscheinung aus eigener Erfahrung. Umgangssprachlich gibt es dafür die sehr passende Bezeichnung Nesselsucht oder Nesselausschlag. Der medizinische Name lautet Urtikaria. Die Quaddeln und zum Teil sehr schmerzhaften Schwellungen der tieferen Hautschichten (Angioödeme) ähneln den Krankheitszeichen einer Allergie, so dass es hier mitunter zu Verwechslungen kommt. Doch Urtikaria ist üblicherweise nicht die Folge einer Abwehrreaktion des Immunsystems gegenüber Allergenen. Wie die Reaktion bei Urtikaria im Einzelnen abläuft, ist allerdings noch nicht vollständig erforscht. Man weiß, dass bestimmte Immunzellen, die sogenannten Mastzellen, aktiviert werden. Mastzellen sind Zellen der körpereigenen Abwehr, die in verschiedenen Geweben unseres Körpers, vor allem in der Haut und in den Schleimhäuten, zu finden sind. In ihrem Zellkörper haben sie verschiedene Botenstoffe (Mediatoren) gespeichert. Wird die Mastzelle aktiviert, so setzt sie diese Botenstoffe frei. Für das Krankheitsgeschehen der Urtikaria ist vor allem der Botenstoff Histamin von Bedeutung. Denn Histamin führt im umliegenden Gewebe zu einer Weitstellung und erhöhten Durchlässigkeit der Gefäße, Hautrötungen, Schwellungen und Juckreiz.

Die schubweise und unkontrollierte Freisetzung der Botenstoffe kann durch ganz unterschiedliche Reize ausgelöst werden. Es können echte Allergien, Unverträglichkeitsreaktionen auf Nahrungsmittel oder Arzneimittel dahinterstecken, aber auch physikalische Faktoren wie Wärme, Kälte oder Druck, Autoimmunerkrankungen, hormonelle Störungen, Bakterien, Viren, Parasiten sowie psychische Belastungen und Stress sind mögliche Ursachen. Nicht selten lässt sich gar kein konkreter Auslöser finden. Der Mediziner bezeichnet dieses Krankheitsentstehen als idiopathisch.

Um angesichts der Vielzahl an Formen und Ausprägungen einen besseren Überblick zu bekommen, teilt man die Urtikaria nach bestimmten Merkmalen in Klassen ein. Das erleichtert die gezieltere Diagnostik und spätere Behandlung. Zur Klassifikation hat sich ein Schema bewährt, das zunächst unterscheidet, ob die Hautquaddeln spontan aufgetreten sind oder durch einen Reiz ausgelöst (induziert) wurden. Anschließend wird nach den möglichen Ursachen untergliedert (s. Tabelle).

tabelle urtikaria

Erhebliche Einschränkungen der Lebensqualität

Wohl jeder weiß, wie quälend ein einzelner Mückenstich sein kann. Man stelle sich nun großflächig juckende Hautquaddeln vor, und das anhaltend über mehrere Wochen. Dass darunter die Lebensqualität der Betroffenen erheblich leidet, ist leicht nachzuvollziehen. Neben den Schmerzen sowie Jucken der Haut sind häufig auch die deutlich sichtbaren Hautveränderungen eine Belastung. Ob soziale Kontakte, Freundschaften oder Partnerschaft: Die Erkrankung hemmt. Das kann zu sozialer Isolation und psychischen Begleiterkrankungen wie Depressionen oder Angstzuständen führen. Zudem treten die Schübe aus noch ungeklärten Gründen häufig nachts auf. Folglich sind Betroffene tagsüber müde, haben Probleme, sich zu konzentrieren, und sind weniger leistungsfähig. Nicht selten führen Krankheitsschübe zu Fehlzeiten in der Schule, im Studium oder im Beruf. Stoßen Erkrankte dann noch auf Unverständnis oder gelten womöglich als unzuverlässig und leistungsschwach, kann dies erneut Druck auslösen. Ein Teufelskreis, denn Stress und die oft erfolglose Suche nach einer Ursache verstärken die Krankheit erneut.

„Etwa ein Viertel der Bevölkerung leidet zumindest einmal im Leben an einer – zumeist akuten – Urtikaria, die nach wenigen Stunden, spätestens aber nach 6 Wochen wieder verschwindet. Von einer chronischen Urtikaria ist in Deutschland geschätzt ein Prozent der Bevölkerung, also circa 800 000 Menschen, betroffen.

Bei Verdacht auf eine Urtikaria sollten Betroffene zunächst ihren Haus- oder Hautarzt aufsuchen. In der großen Zahl der Fälle kann dieser effektiv helfen. Kommen niedergelassene Fachärzte nicht weiter, können diese an spezialisierte Zentren, etwa eine universitäre Hautklinik, überweisen.“

Professor Dr. med. Peter Arne Gerber, Facharzt für Dermatologie und Venerologie

Diagnose

Um die Urtikaria möglichst schnell in den Griff zu bekommen, bedarf es einer schnellen Diagnose – auch, um andere Erkrankungen auszuschließen. Bei Hautsymptomen und Juckreiz sollten Betroffene daher möglichst frühzeitig einen Hautarzt kontaktieren. Doch dies wird oft versäumt, weiß Professor Dr. med. Peter Arne Gerber. Er ist Facharzt für Dermatologie und Venerologie und leitet eine dermatologische Praxis in Düsseldorf. „Leider wird die richtige Diagnose immer noch häufig verkannt oder verschleppt. Darüber hinaus sind Ursachenforschung und das Einstellen auf eine wirksame Therapie für Hausärzte mitunter aufwendig und komplex. Hier kann der Besuch bei einem Experten, zum Beispiel einem Dermatologen, sinnvoll sein.“

Im Vordergrund der Diagnostik stehen die ausführliche Krankheitserhebung und eine gründliche körperliche Untersuchung des Patienten. Ein Krankheitstagebuch kann dabei helfen, mögliche Auslöser zu finden. Mitunter startet man eine symptomatische Therapie mit Antihistaminika. Wie der Name verrät, richten sich diese Medikamente gegen die Wirkungen des Botenstoffs Histamin, der am Krankheitsgeschehen der Urtikaria maßgeblich beteiligt ist. Bilden sich die juckenden Quaddeln trotz Antihistaminikums nicht zurück, ist eine intensivere Diagnostik mit Provokationstestungen, Laboruntersuchungen und allergologischen Testungen angezeigt (s. Kasten).

Diagnostik
  • Basisdiagnostik: Erhebung der Krankheitsgeschichte (Anamnese), körperliche Untersuchungen, Blutuntersuchungen, Krankheitstagebuch
  • Bestätigung der Verdachtsdiagnose: Provokationstestungen, physikalische Testungen (Druck, Kälte etc.), körperliche Übungen zur Abklärung einer anstrengungsbedingten Urtikaria, orale oder inhalative Provokation, Hauttestungen, je nach Verdacht weitere Laboruntersuchungen
  • Indirekte Diagnose: Vermeidung des potenziellen Auslösers
Therapie

Kennt man die auslösende Ursache, kann man diese womöglich meiden bzw. frühzeitig Behandlungsmaßnahmen einleiten. Dazu Professor Gerber: „Heute gibt es sehr effektive Therapiemöglichkeiten. Die akute Urtikaria lässt sich in der Regel mit oralen Antihistaminika und steroidhaltigen Cremes gut behandeln. Im Falle der chronischen Urtikaria steht an erster Stelle die Fokussuche, also das Durchuntersuchen auf mögliche Auslöser. Wird der Auslöser, also zum Beispiel eine latente Infektion, dann erfolgreich behandelt, heilt auch die Urtikaria aus. Ist dies nicht möglich, so beginnt man mit höheren Dosen und/oder der Kombination verschiedener Antihistaminika. Darüber hinaus kommen dann spezifische Antikörper (Omalizumab) oder immunmodulierende Wirkstoffe zum Einsatz.“

Sowohl bei der Diagnostik als auch bei der Therapie sollte man immer auch daran denken, dass seelische Belastungen, Konfliktsituationen und Dauerstress einen großen Einfluss auf das Krankheitsgeschehen haben können. Eine begleitende psychotherapeutische Betreuung kann für viele Patienten daher sehr hilfreich sein. Auch das Erlernen von verschiedenen Entspannungstechniken kann dazu beitragen, die Symptome zu lindern und den Umgang mit der Erkrankung zu meistern.

Und auch das macht Hoffnung: Eine Spontanheilung ist niemals ausgeschlossen.

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