Viele Pollen, lange Pollenflugsaison

Bei den Folgen des Klimawandels denken die meisten zuerst an Extremwetterereignisse wie Hitzewellen, Starkregen, Stürme oder anhaltende Trockenheit. Dass dies zur akuten Bedrohung unserer Lebenssituation und unserer Gesundheit werden kann, steht außer Frage. Andere Klimaveränderungen sind nicht so unmittelbar spürbar. Da sie jedoch nachhaltig die Umwelt beeinflussen und Lebensräume von Pflanzen und Tieren beeinträchtigen, gefährden auch diese Folgen unsere Gesundheit. In diese Kategorie fällt der veränderte Pollenflug.

Pollenflug: früher Start, spätes Ende

Schon immer war die Pollenflugsaison von Jahr zu Jahr unterschiedlich, da die Blühzeiten der Pflanzen nun einmal von der Witterung abhängen. Lufttemperatur, Niederschläge, Luftfeuchtigkeit und Wind beeinflussen zudem, wie stark die Pollen sich über die Luft verteilen und über welche Distanzen sie transportiert werden. Ohne Frage sind also Klimafaktoren und Pollenflug eng miteinander verbunden. Für die täglichen Pollenflugvorhersagen werden daher auch Pollenmessungen, die üblicherweise mit Hilfe von Pollenfallen erfolgen, mit Wetterprognosen kombiniert. Dass Veränderungen des weltweiten Klimas Einfluss auf den Pollenflug haben, liegt nahe. Wie deutlich sich der Klimawandel bereits jetzt auf den Pollenflug auswirkt, zeigt eine aktuelle Studie, die in diesem Jahr veröffentlicht wurde.* Ein Team von Wissenschaftlern aus verschiedenen US-amerikanischen Universitäten hat langfristige Pollendaten von 60 nordamerikanischen Stationen aus den Jahren 1990 bis 2018 ausgewertet. Um die Rolle des menschengemachten Klimawandels zu erfassen, wurden diese Daten mit Klimamodellen verknüpft. Auf diese Weise wurde nachgewiesen, dass sich die Pollensaison um etwa 20 Tage verlängert hat und es zugleich zu einem deutlichen Anstieg der Pollenkonzentrationen (+ 21 %) in ganz Nordamerika gekommen ist. Beides ist stark an die beobachtete Erwärmung gekoppelt. Aus den Ergebnissen ihrer Untersuchungen ziehen die Wissenschaftler den Schluss, dass der Klimawandel zum einen der wichtigste Faktor für die Verlängerung der Pollensaison ist und zum anderen wesentlich zum Anstieg der Pollenkonzentrationen beiträgt. Die Fortsetzung dieser Entwicklung wird deutliche Auswirkungen auf die Gesundheit der Atemwege haben, so die Einschätzung der Experten.

Neue Pflanzen, weitere Allergien

Eine weitere Folge des Klimawandels sind Veränderungen bei der Vegetation, was sich natürlich auf die Pollenzusammensetzung in der Luft auswirkt. Wenn nun Pflanzen mit hohem allergenem Potenzial plötzlich auch in unseren Breiten heimisch werden, kann dies für Allergiker eine zusätzliche Belastung darstellen. Schon seit vielen Jahren beobachtet man z. B., dass sich die Ambrosiapflanze in Deutschland stark ausbreitet. Der Pollen der Ambrosia, die auch Ragweed oder Traubenkraut genannt wird, kann schon in kleinen Mengen heftige allergische Reaktionen wie Heuschnupfen, Bindehautreizungen und allergisches Asthma auslösen. Hinzu kommt, dass die Pflanze extrem viele Pollen produziert, eine lange Blühphase von Juli bis Oktober, bei milder Witterung sogar bis November hat und Auslöser von Kreuzallergien mit Beifuß, Gräsern sowie bestimmten Nahrungsmitteln (z. B. Anis, Petersilie, Pfeffer, Paprika oder Karotten) sein kann. Man geht davon aus, dass – begünstigt durch den Klimawandel – die Zahl der Erkrankungen durch Ambrosia erheblich steigen wird.

Pollen sind aggressiver

Es sind jedoch nicht allein die Klimafaktoren, die Pollenallergikern zunehmend zu schaffen machen. Bereits aus früheren Studien weiß man, dass die Luftqualität, genauer: der Anstieg von Luftschadstoffen Einfluss auf das Allergiegeschehen hat. So führt ein höherer Kohlenstoffdioxidgehalt der Luft bei manchen Pflanzenarten zur vermehrten Pollenproduktion. Außerdem beeinflussen Kohlenstoffdioxid, Ozon, Stickoxide und Feinstäube die Allergenität von Pollen, sie werden aggressiver. Das bedeutet, die Pollen enthalten mehr allergieauslösende Eiweißstoffe und andere entzündungsfördernde Substanzen, so dass sie stärkere allergische Reaktionen und Symptome verursachen. Patienten mit Asthma und Atemwegsproblemen sind längst schon Leidtragende der zunehmend schlechter werdenden Luftqualität. Der Kreis der Betroffenen wird größer.

Klimaschutz ist auch Gesundheitsschutz

Im aktuellen Versorgungs-Report Klima und Gesundheit (s. Kasten unten) findet sich auch ein Fachbeitrag zum Einfluss des Klimawandels auf die Allergenexposition. Darin werden insbesondere die damit verbundenen Herausforderungen für die künftige Versorgung von allergischen Erkrankungen thematisiert. Die Autoren weisen auf erhebliche Versorgungslücken hin und mahnen an, dass, bedingt durch den Klimawandel, die Zahl der Allergiker weiter steigen wird. Nach Schätzungen der EAACI (European Academy of Allergy and Clinical Immunology) ist damit zu rechnen, dass im Jahr 2025 bereits die Hälfte der Bevölkerung an einer Allergie leiden wird. Es tut also Not, Maßnahmen zu ergreifen, um die allergologische Versorgung zu gewährleisten, und auch die Chancen zur Prävention von Allergien besser zu nutzen. Dafür ist es u. a. erforderlich, die Faktoren, die allergische Erkrankungen provozieren und fördern, besser zu identifizieren. Insbesondere gilt es, die Risiken durch Umwelteinflüsse in Studien weiterzuerforschen, damit Schutzprogramme etabliert werden können. Wie drängend die Probleme des menschengemachten Klimawandels sind, zeigt auch der 6. Sachstandsbericht, der vom Weltklimarat (IPCC) am 9. August 2021 vorgestellt wurde. Der Bericht fasst das Ausmaß und die Folgen des Klimawandels zusammen und formuliert wichtige Informationen hinsichtlich der damit verbundenen Risiken für Mensch und Natur. Einige weitere Informationsquellen zum Thema Klimawandel und Gesundheit finden Sie im folgenden Infokasten. Sie alle kommen zum gleichen Ergebnis: Der Klimawandel macht krank – es ist höchste Zeit, durch Klimaschutzmaßnahmen dem Klimawandel entgegenzutreten.

Weitere Informationen zum Thema Klimawandel und Gesundheit
Versorgungs-Report „Klima und Gesundheit“

Der aktuelle Versorgungs-Report „Klima und Gesundheit“ zeigt auf, wie stark der Klimawandel die Gesundheit der Menschen beeinträchtigt. Der Report gibt einen Überblick über die Auswirkungen des Klimawandels auf unsere Gesundheit. In insgesamt 16 Fachbeiträgen stellen renommierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowohl die globale Bedeutung des Klimawandels für die Gesundheit als auch dessen Auswirkungen und Herausforderungen für die medizinische Versorgung in Deutschland dar.

Der Report steht im Internet kostenfrei zum Online-Lesen oder als PDF-Download zur Verfügung: mwv-open.de

Der Versorgungs-Report ist eine Publikationsreihe des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO), die die Gesundheitsversorgung einzelner Bevölkerungsgruppen und die Umsetzung wissenschaftlicher Erkenntnisse in die Praxis zum Thema macht.

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